Die Solarenergie soll beim Ausstieg aus den fossilen Energien eine entscheidende Rolle spielen. An der Nationalen Photovoltaik-Tagung in Bern zeigten Expertinnen und Experten mögliche Lösungswege auf, wie leistungsfähigere Module oder die Nutzung der E-Mobilität als Speicher.

Raus aus der Energie-Abhängigkeit vom Ausland ist zurzeit das Gebot der Stunde. Als eigene Ersatzenergien für Öl und Gas kommen in der Schweiz eigentlich nur Wasserkraft, Solar- und Windenergie in Frage. Kernkraft wäre zwar aus Klimaüberlegungen eine valable Option, die aber politisch und vor allem wirtschaftlich zurzeit kein ernsthaftes Thema ist. Trotzdem produzieren sie immer noch rund einen Drittel des in der Schweiz benötigten Stroms, der dann mittelfristig ja auch noch irgendwie ersetzt werden muss. Da dem Ausbau der Wasserkraft viele politische und gesellschaftliche Hindernisse im Weg stehen, und Windräder wegen Einsprachen in den Mühlen von Amtsstellen steckenbleiben, ruhen die Hoffnungen nun vor allem auf dem Ausbau der Solarenergie. Diese erlebt zurzeit einen wahren Boom.

Doch viele Fragen sind noch offen: Reichen die Fachkräfte aus, um den Umbau rechtzeitig zu schaffen? Gelingt es, die drohende Winterstromlücke zu füllen? Kann die Produktion von Solarmodulen zurück nach Europa geholt werden, um die Abhängigkeit von Fernost zu reduzieren? Welche Technologiesprünge sind zu erwarten?

Ein massiver Ausbau der Photovoltaik wie hier über einer Kläranlage ist nötig, um die Energiewende zu schaffen.

Mehr Wärmepumpen und E-Autos

Zurzeit deckt der Solarstrom rund fünf Prozent des Schweizer Stromverbrauchs ab. Die produzierte Menge muss bis 2050 um ein Vielfaches ansteigen, gemäss Energiestrategie des Bundes auf dann 34 TWh. Nach einer Untersuchung des Wirtschaftsforschungsunternehmens Prognos wird die Schweizer Bevölkerung bis dann auf 10 Millionen Menschen ansteigen, die beheizte Fläche um 17 Prozent ansteigen und die Fahrleistung im Personenverkehr um 17 Prozent zunehmen. Dafür wird zusätzlicher Strom benötigt, da bis dann Elektroautos und Wärmepumpen voraussichtlich Standard sein werden. Für die Erreichung der offiziellen Ziele des Bundes wären jährliche Zuwachsraten von 440 MW Leistung aus Solaranlagen nötig. Der Zubau ist aktuell aber deutlich höher und dürfte in diesem Jahr bis zu 750 MW betragen. «Es gibt gute Gründe, die Ziele nach oben anzupassen», sagte Wieland Hitz vom Bundesamt für Energie an der Nationalen Photovoltaik-Tagung im März. Er hält jährliche Zuwachsraten von 1,5 GW Leistung für realistisch, was dann schon sehr nahe am der vom Branchenverband Swissolar geforderten anzustrebende Menge von 45 TWh liegt.

Es stockt bei den Wechselrichtern

Der Ukraine-Krieg beflügelte die Nachfrage nach Photovoltaik in der Schweiz noch einmal zusätzlich. Die Anmeldungen für neue Anlagen bei der für den Vollzug der staatlichen Förderungen zuständigen Pronovo AG sind seit Monaten sehr hoch. Doch wie schnell diese dann tatsächlich ans Netz gehen können, ist unsicher. Denn in der allgemeinen globalen Logistikkrise, wo in China wegen Corona auch in diesem Frühling Millionenstädte in den Lockdown geschickt wurden, mangelt es an wichtigen Teilen. Das führt tendenziell zu höheren Preisen. Der Solar-Experte Ulrich Münch spricht in der Schweiz von einer Preissteigerung für Solaranlagen von sechs Prozent im ersten Quartal. Ein grosses Problem sind insbesondere fehlende Wechselrichter, welche Bauprojekte um Monate verzögern. Mittelfristig problematischer ist aber der Mangel an Fachkräften, welche die Anlagen planen und auf die Dächer bringen sollen. Bis 2030 rechnet Swissolar mit über 10’000 neuen Stellen, die besetzt werden müssen. Und diese werden immer wie anspruchsvoller. Gefordert ist vor allem viel Systemverständnis: die Gebäudehülle oder das Heizungssystem muss zur PV-Anlage passen. Elektromobilität oder Zusammenschlüsse für den gemeinsamen Eigenverbrauch müssen zudem künftig in die Planung miteinbezogen werden. 

Wechselrichter sind zurzeit knapp verfügbar.

Tandem-Solarmodule mit über 35 Prozent Wirkungsgrad

Meyer Burger setzt an ihrem Produktionsstandort in Deutschland bei ihrer neusten Modul-Generation bereits auf HJT. Andreas W. Bett rechnet damit, dass effiziente Technologien wie HJT oder TOPCon in den nächsten fünf Jahren endgültig in die industrielle Fertigung kommen. Das physikalische Limit bei der Silizium-Solarzelle liege allerdings bei 29.4 Prozent. Trotzdem ist damit das Ende der Fahnenstange bei den Wirkungsgraden noch nicht erreicht. Tandem-Solarmodule bestehen aus zwei unterschiedlichen, übereinander geschichteten Solarmodultypen, die das Lichtspektrum gemeinsam besser ausnutzen. Grosse Hoffnungen bei künftigen Solarzellen hegt man in Perowskit, einem Hybridmaterial aus organischen und anorganischen Stoffen. «Das ist die zukünftige Technologie, um auf über 35 Prozent Wirkungsgrad zu kommen», sagte Laurie-Lou Senaud vom CSEM an der Photovoltaik-Tagung im Frühling. Ausserdem sei das Verfahren günstig und komme mit weniger Rohstoffen aus. Mit der Tandemzelle mit einer unteren Schicht mit Silizium und oben mit Perowskit könne die spektrale Verteilung der Lichtabsorption deutlich verbessert werden, erklärte sei. Das ISE erreichte mit der Technologie im Labor einen Wirkungsgrad von 35,9 Prozent. Andreas W. Bett vom ISE rechnet damit, dass Tandemsolarzellen in vier bis zehn Jahren für die industrielle Produktion bereit sein werden.

Das Fraunhofer ISE erreichte mit einer Tandemsolarzelle im Labor einen Wirkungsgrad von 35,9 Prozent.
(Bildautor: Fraunhofer ISE / Foto: Michael Schachtner)

Produktion nach Europa zurückholen

Das Zentrum der Solarmodul-Produktion hat sich im letzten Jahrzehnt endgültig nach Fernost insbesondere China verschoben. Bei den aktuellen globalen Turbulenzen werden die Stimmen nun lauter, welche die Rückkehr der PV-Industrie nach Europa fordern. Zwar gibt es immer noch europäische Firmen, die Solarmodule herstellen, doch diese produzieren nur einen kleinen Teil des Bedarfs. Es gebe gute Gründe, für eine europäische Produktion sagte Andreas W. Bett vom ISE an der Tagung in Bern, nicht nur wegen der grossen Nachfrage auf dem Heimmarkt und möglichen Nischenproduktionen. Der Transport aus Fernost mache heute über zehn Prozent der Modulkosten aus, was relevant sei. Dazu käme der Faktor CO2, worum es bei der Dekarbonisierung ja schliesslich gehe. Hier könne sich die europäische Produktion dank ihrem Energie-Mix und mit den geschlossenen Kreisläufen gegenüber China profilieren, insbesondere wenn das CO2 eingepreist werde, sagte Bett.

Die Bewahrung der technologischen Souveränität und Unabhängigkeit hat in den letzten Monaten zudem eine komplett neue Bedeutung erlangt. In Anbetracht, dass China künftig möglicherweise einen immer grösseren Teil der Produktion direkt im stark wachsenden heimischen Markt verwenden wird, erscheint eine regional ausgerichtete Produktion umso mehr angebracht. Erste Hinweise weisen darauf hin, dass es tatsächlich zu einer Renaissance der europäischen PV-Produktion kommen könnte. So hat die Firma Meyer Burger im letzten Jahr am Standort Freiberg (D) eine neue Produktion mit Hochleistungs-Solarmodulen in Betrieb genommen, die bis 2023 eine Modulfertigungskapazität von jährlich 1.4 GW erreichen soll. Das würde immerhin theoretisch reichen, um dann die Schweizer Nachfrage zu decken.

Woher den Winterstrom nehmen?

Die Verarbeitung des fluktuierend anfallenden Solarstroms wird eine weitere Herausforderung sein. Es geht hier um die Sicherstellung der Versorgungs- und Netzsicherheit. Die smarte Steuerung von kurzfristigen Batteriespeichern und Langfristspeicher wie Stauseen, aber auch mögliche Importe aus dem Ausland werden eine Anpassung der Infrastruktur nötig machen. Die Knacknuss für die künftige ganzjährige Stromversorgung mit dem vorgesehenen Mammutanteil von Solarstrom bilden die Wintermonate. Solarkraftwerke in den Berggebieten, wo es auch im Winter im Gegensatz zum Flachland anständige Solarerträge gibt, dürften kaum ausreichen, um den dann noch höheren Strombedarf der heizenden Wärmepumpen zu decken. Der vom Bundesrat geplante Beitrag von 250 Franken pro Kilowatt Leistung bei Fassadenmodulen wird hier wohl auch nicht entscheiden mithelfen können.

Eine Möglichkeit bieten die Pumpspeicherkraftwerke der Schweiz mit einer aktuellen Speicherkapazität von 9 TWh, was rund einem Drittel des Winterstromverbrauchs entspricht. Hier stelle sich die Frage der Wirtschaftlichkeit, sagte Energiemarktspezialist Christian Hewicker von DNV Energy Systems Germany GmbH am Anlass in Bern. Schon heute könnten nutzbares Speichervolumen im Umfang von 6,5 TWh vom Sommer in den Winter verschoben werden, was aber aus wirtschaftlichen Gründen nicht gemacht werde, weil der Strom teuer zu Spitzenzeiten im Sommer verkauft werde. «Bis jetzt werden die Knappheiten kaum in Preisen abgebildet, weshalb die saisonale Speicherung nicht so interessant ist.» Deshalb seien Investoren noch zurückhaltend, was sich aber je nach Szenario ändern könne. Im Rahmen der Revision des StromVG (Mantelerlass) sind Speicherpflichtreserven bis zum Ende des Winters in Stauseen vorgeschlagen. Klar sei aber, dass die alleinige Existenz von Speicherkapazitäten noch keine Versorgungssicherheit garantieren würden, sagte Hewicker.

Gigantische Speicherkapazität in Autobatterien

Bisher noch wenig berücksichtigt in energiepolitische Überlegungen bei der Speicherung von Strom wird die zunehmende Elektromobilität. Diese hat nämlich das Potenzial zum Game-Changer. Die Batterien von 100’000 Elektroautos verfügen über eine Leistung im Umfang von etwa dem Atomkraftwerk Gösgen. Da Autos grösstenteils ungenutzt herumstehen, bietet sich hier ein riesiges Potenzial zur dezentralen Speicherung von erneuerbarem Strom an. Die in den Autos verbauten Batterien sind sehr leistungsfähig und verfügen oft über Reichweiten bis 500 Kilometer. Im Durchschnitt ist ein Auto aber im Tag nur auf einer Strecke von 40 km unterwegs. Da bleibt also eine riesige Menge Strom in der Batterie übrig, von der es nur einen Bruchteil benötigt, um beispielsweise einen Haushalt einen Tag lang oder in der Nacht mit Strom zu versorgen. «Sogar eine Wärmepumpe wäre kein Problem», sagte Dominik Müller von der Firma sun2wheel in seinem Referat an der Tagung in Bern. Das Unternehmen ist im Moment der einzige Schweizer Anbieter der speziellen Ladenstationen, welche bidirektionales Laden erst ermöglichen. Das heisst: Die Fahrzeugbatterie nimmt beispielsweise Solarstrom vom eigenen Dach auf, um ihn bei Bedarf an ein Gebäude zurückzugeben. Auf die Lebensdauer der Batterie habe das kaum einen Einfluss, erklärte Müller.

Mobility wagt den Versuch

In Zukunft lassen sich die Fahrzeuge zu mächtigen Grids zusammenschliessen, die beispielsweise Energieversorgern auch für die Optimierung der Netzstabilität zur Verfügung stehen würden, beispielsweise zur Abdeckung von Lastspitzen. Die bidirektionale Umwandlungsstation ist in der Schweiz zwar bereits verfügbar, kostet aber zurzeit noch rund 10’000 Franken mehr als eine herkömmliche Ladestation für Fahrzeuge. Müller ist aber überzeugt: «Schon in wenigen Jahren werden wird deutlich günstigere Lösungen haben». Lange war der Nissan Leaf in Europa das einzige Fahrzeug, bei dem bidirektionales Laden möglich war, mittlerweile sind aber weitere Hersteller auf den Zug aufgesprungen.

Ab Herbst läuft ein wegweisendes Projekt mit dem Carsharing-Unternehmen Mobility, das die Technologie im Praxiseinsatz während einem Jahr mit 50 Elektrofahrzeugen des Typs Honda e testet. Ein stillstehendes bidirektionales Mobility-Elektroauto kann bis zu 20 Kilowatt Leistung ins Netz einspeisen. Bei der ganzen Flotte von 3000 Fahrzeugen entspräche das 60 MW Leistung, oder so viel, wie das Tessiner Pumpspeicherkraftwerk Peccia bereitstellen kann. Zwei Millionen Elektrofahrzeugen könnten langfristig 20 AKWs oder 20 bis 30 Speicherkraftwerke ersetzen. «Es wäre dumm, dieses Potenzial nicht zu nutzten», sagte Müller in Bern.

Bidirektionales Laden benötigt spezielle Ladestation, die zurzeit noch teuer sind.

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