Das Solar-Update 2023 stand im Zeichen des aktuellen Booms beim Zubau von Photovoltaikanlagen. Ab nächstem Sommer werden erste Lernende auf den Solardächern unterwegs sein. Sorgen bereitet der Branche der absehbare Engpass bei der Netzkapazität.
Der Fachverband Swissolar erlebt gerade bewegte Zeiten, was vor allem dem Boom der Photovoltaik (PV) in der Schweiz geschuldet ist. Im Vergleich zur gleichen Vorjahresperiode vermeldete Pronovo Ende Oktober eine sagenhafte Zunahme von 91 Prozent bei den angemeldeten Photovoltaik-Anlagen. Das teilte Leo-Philipp Heiniger vom Bundesamt für Energie (BFE) im November am Solar-Update 2023 in Bern mit. Der einheimische Solarstromanteil am Schweizer Strommix beträgt mittlerweile 7 Prozent. In diesem Jahr werden voraussichtlich 1.3 Gigawatt (GW) Leistung dazukommen. Zufrieden gibt sich Swissolar damit allerdings noch nicht. Um die langfristigen Ziele zu erreichen, müsse es in Richtung von zusätzlich 2 GW pro Jahr gehen, sagte Christian Moll von Swissolar. Er führte durch die Branchen-Tagung, an der 350 Leute teilnahmen.
Berufslehre ab dem Sommer
Swissolar verzeichnet als Folge des zunehmenden PV-Marktes einen hohen Mitgliederzuwachs auf nun über 1100, davon sind die meisten Installationsfirmen. Es sei aber auch zu Kündigungen von Mitgliedschaften gekommen insbesondere im Bereich Solarwärme, sagte Moll. Auf der Geschäftsstelle kümmern sich nun 20 Mitarbeitende um die Belange der Mitglieder. Neu gehört auch die Berufsbildung zu den Aufgaben des Verbandes. In beachtlichem Tempo hat die Branche einen Lehrgang aus dem Boden gestampft, der vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) genehmigt und seit dem 1. Oktober in der Bildungsverordnung offizialisiert ist. So geht im Sommer der erste 3-jährige Lehrgang zum Solarinstallateur:in mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) an den Start. Zusätzlich wird eine 2-jährige berufliche Grundbildung mit Berufsattest (EBA) als Solarmonteur:innen angeboten. Neu besteht zudem auch für Leute, die schon lange in der Solarbranche unterwegs sind, die Möglichkeit auf einem verkürzten Weg einen EFZ zu erwerben.
200 Lernende als Ziel
«Nun braucht es Ausbildungsbetriebe und Lernende», richtete die Swissolar-Ausbildungsverantwortliche Rita Hidalgo einen Appell an die anwesenden Solarfachleute im grossen Saal der Eventfabrik in Bern. Aber, wie wird man zum Ausbildner oder zur Ausbildnerin? Dafür brauche es einen EFZ in einem verwandten Beruf sowie drei Jahre Erfahrung in der Solarbranche, erklärte Hidalgo. Zudem müsse eine Ausbildungsbewilligung beim jeweiligen Kanton beantragt werden. 160 Unternehmen hätten sich bisher als Schnupper- und Lehrbetriebe gemeldet. Hidalgo hofft aber auf 200 Lernende im ersten Jahrgang. Swissolar werbe entsprechend offensiv für den Beruf.
Referendum gegen Mantelerlass
Mehrere Revisionen von Verordnungen, welche die Solarbranche tangieren, befanden sich zum Zeitpunkt des Anlasses noch in der Vernehmlassung, weshalb sich Leo-Philipp Heiniger vom BFE noch nicht allzu fest auf die Äste rauslassen wollte. Es geht dabei unter anderem um Änderungen bei den Einmalvergütungen, die Solarpflicht bei Bundesbetrieben oder Anpassungen bei den Auktionen. Viel beschäftigt hat das BFE der im Herbst vom Parlament verabschiedete sogenannte Mantelerlass. Das Gesetzespaket beinhaltet konkret unter anderem die Stärkung der Stromversorgung im Winter, den Ausbau erneuerbarer Energien zur Erreichung des Netto-Null-Klimaziels oder die Integration dezentraler Energiequellen ins Energiesystem. Auch verbindliche Ziele sind formuliert: So sollen die neuen erneuerbaren Energien bis 2023 35 TWh und bis 2050 45 TWh Strom liefern (Stand Ende 2022 gemäss Bundesamt für Statistik: 6 TWh). Zudem ist eine vom Bundesrat festgelegte Minimalvergütung für Strom von Anlagen mit weniger als 150 kW Leistung vorgesehen. Neu wird eine gleitende Marktprämie für grosse Anlagen ohne Eigenverbrauch eingeführt – ähnlich wie früher die KEV. Auch interessant: Batteriespeicher ohne Eigenverbrauch werden den Pumpspeicherkraftwerken gleichgestellt, das heisst, diese müssen kein Netznutzungsentgelt mehr bezahlen. Das dürfte auch Marco Rüegg von der Firma MW Storage in Zug freuen, welche sich auf den Bau von grossen Batteriespeichern spezialisiert hat. Er stellte in Bern den mit 20 Megawatt Leistung grössten Schweizer Batteriespeicher in Ingenbohl vor, wo Regelenergie für Swissgrid erzeugt wird. Geplant ist das Inkrafttreten des Mantelerlasses für den 1. Januar 2025. Mittlerweile kam das Referendum gegen die Vorlage zustande. Die Abstimmung folgt in den nächsten Monaten.
Herausforderung Netzausbau
Wie ein Damoklesschwert schwebte das Thema «Netzausbau» über der gesamten Tagung. Denn für das Erreichen der von der Politik festlegten Klimaziele soll bekanntlich vor allem die Erhöhung der Stromproduktion sorgen. Doch das Stromnetz wird hier zum Flaschenhals, weil es im aktuellen Zustand deutlich zu wenig Kapazität aufweist, um nur schon die angestrebten Solarstrommengen aufzunehmen zu können. Einen möglichen Ausweg bieten hier intelligente Systeme, welche die Nutzung des bestehenden Netzes optimieren. «Intelligenz statt Kupfer», brachte es David Zogg auf den Punkt. Er ist Dozent für Regeltechnik an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) in Windisch und treibt die Netzintegration voran. Zogg arbeitet mit dem Label SmartGridready zusammen mit anderen Firmen und Institutionen an einer Standardisierung für offene Schnittstellen bei Energiemanagementsystemen (EMS). Das Ziel: Mit dem Label ausgezeichnete Geräte sollen ohne viel Aufwand in eins EMS integriert werden können. Wärmepumpen, Photovoltaik, Elektroautos oder Batterien sollen zusammen kommunizieren, um den Eigenverbrauch zu optimieren. Er ist zudem überzeugt: «Mit intelligenter Regelung vor allem von Wärmepumpen und Elektromobilen kann auch das Stromnetz entlastet werden.» Das Motto: Einspeisespitzen brechen anstatt Wechselrichter abriegeln. Zudem soll es noch viel mehr in Richtung «Netzdienlichkeit» gehen. Zogg denkt hier insbesondere an das bidirektionale Laden von Elektroauto-Batterien.
«3-Prozent-Regel» aufweichen
Stefan Schori von der Berner Fachhochschule schlägt vor, etwas an der in der Strombranche etablierten «3-Prozent-Faustregel» rütteln. Dabei geht es um die Sicherstellung der Netzspannung bei der Integration von Neuanlagen, für welche die Netzbetreiber (NB) zuständig sind. Oft würde von diesen vorschnell ein Ausbau der Anschlussleitung verlangt, weil sie mit der «ungenauen» 3-Prozent-Regel arbeiten. Diese sei zwar als Faustregel oft sinnvoll, führe aber zu Reserven, erklärte Schori. Mit neueren Simulations- und Berechnungsmethoden könnten diese besser ausgenutzt werden. Der NB schaue in diesem Fall bei Anschlussgesuchen genauer hin: Wie viel Last besteht in der Umgebung? Welche Massnahmen sind im Trafokreis noch geplant? Kann die PV-Anlage ihre Produktionsleistung reduzieren, sobald die Spannung einen definierten Grenzwert überschreitet? Je nachdem sei eine PV-Anlage ohne Verstärkung der Anschlussleistung trotzdem realisierbar, obwohl die 3-Prozent-Regel nicht erfüllt sei, so Schori.
Keine Abstriche beim Schneefang
Tamás Szacsvay von der Firma Reech AG in Zizers kennt sich mit Schneerückhalte-Vorrichtungen aus. Was passiert, wenn die Bauherrschaft einen Schneefang ablehnt, obwohl der Planer diesen vorschriftengemäss offerierte? Wird die Anlage ohne Schneefang gebaut, haftet das Solarunternehmen trotzdem für allfällige Schäden bei Dritten. «Selbst wenn er sich durch eine konkrete Abmahnung der vertraglichen Haftung gegenüber der Bauherrschaft entzogen hat», erklärte Scacsvay den Teilnehmenden. Er rät deshalb Installateuren in solchen Fällen, auf Schneefängen zu beharren oder den Auftrag abzulehnen. Insbesondere bei grossem Schadenpotenzial. Die Versuchung sei gross, hier Abstriche zu machen, weil Ertragsverluste durch Verschattungen ein Problem sein können. Doch für ihn ist trotzdem klar: «Die Sicherheit hat immer Priorität.»
Brandschutz von Fassaden
Auch das aktuell viel diskutierte Thema Brandschutz bei Fassaden fand Aufnahme in das vielfältige Tagungsprogramm. Hier bestehen noch Unklarheiten, weil grosse Fassadenanlagen an Gebäuden bisher eher Pilotanlagencharakter aufwiesen. Zurzeit gilt hier noch die VKF-Brandschutzrichtlinie «Verwendung von Baustoffen», die sich aber nicht auf die speziellen Eigenschaften von Solarpanels bezieht. Im Kanton Zürich beispielsweise wurden Projekte aus Brandschutzgründen nicht bewilligt, weil nicht mit Brandversuchen nachgewiesen werden konnten, dass sich ein Feuer in einem elf Meter hohen Gebäude an der Fassade nicht weiter als über zwei Stockwerke ausbreiten kann. Samuel Summermatter von Plan-E AG in Luzern stellte ein von Swissolar initiierten Übergangsdokument «Planung und Brandschutznachweis für hinterlüftete PV-Fassaden» vor, welches die Installation von Solarmodulen an Fassaden in verschiedenen Gebäudekategorien abhängig von den Höhen regelt. Es ist bis Ende nächstes Jahr gültig. Bis dann sollen Brandversuche durchgeführt werden, welche dann in einem definitiven «Stand der Technik»-Papier berücksichtigt werden sollen.
Nicht sparen bei Steckverbindungen
Unspektakulär, aber trotzdem sehr wichtig: Die Steckverbinder schliessen die Kabel zwischen den Solarmodulen zusammen und ermöglichen so erst den Stromfluss. Doch sparen sollte man hier besser nicht. Denn die Verbindungen müssen während vielen Jahren hohe Temperaturen oder beispielsweise auf Tierställen hohe Ammoniakbelastungen aushalten. So etwas wie die Mutter aller Steckverbinder ist der MC4 der Schweizer Firma Stäubli. Diese deckt nach eigenen Angaben in diesem Bereich 50 Prozent des Weltmarktes ab. Der Einsatz von minderwertiger Ware sei riskant, sagte Nicolas Jundt in Bern. Er betreut das Sortiment bei Stäubli und kennt sich aus. «Steigt der Durchgangswiderstand bei unkorrekter Verbindung, dann führt das zu erhöhten Temperaturen von bis zu 200 Grad». Brände seien dann nicht mehr auszuschliessen. Es sei sehr wichtig, dass die Verbindungen korrekt montiert seien. In Härtetests hätten die Produkte von Stäubli extreme Temperaturen zwischen minus 40 und plus 85 Grad gut vertragen und immer noch Strom geliefert. Billigere Produkte hätten hingegen bei den gleichen Tests versagt. Das Unternehmen Stäubli gewährleistet die Langlebigkeit ihrer Stecker. Jundt warnte davor, Stecker von verschiedenen Herstellern miteinander zu verbinden. «Ein korrekter Stromdurchfluss ist hier nicht gewährleistet und kann fatale Folgen haben.»
Schadensvermeidung bei der Solarmontage
Im letzten Teil entführte Marco Walker vom Bildungszentrum Polybau in Uzwil das Fachpublikum auf die «Baustelle». Was sind die heiklen Situationen bei der Montage von Solaranlagen? Da wäre zum einen die Vorschrift, dass ein passendes und fachgerecht erstelltes Unterdach vorhanden sein muss. Die Konterlattung sorgt für die nötige Hinterlüftung der Anlage. Die fachgerechte Montage der Haken bei Aufdachanlagen scheint besonders anspruchsvoll zu sein. Da ist zum einen die zu schwache Dimensionierung von Dachhaken, welche zu Brüchen der Ziegel führen kann. Sehr oft seien zudem die Schrauben so lang, so dass diese durch das Unterdach gehen und dessen Funktion zerstörten, sagte er. Als Lösung schlug er die Montage eines Unterlagsbretts vor, auf dem die Dachhaken mit mehreren kurzen Schrauben fixiert werden können. Der Haken daran: Dieser Typ von Haken muss zuerst noch für den Massenmarkt entwickelt werden.