Trotz Photovoltaik-Boom braucht es deutlich höhere jährliche Zuwachsraten, um die Energiestrategie-Ziele des Bundes zu erreichen. Wegen immer mehr dezentralen PV-Anlagen droht aber eine Überlastung des Stromverteilnetzes. Am Swissolar Solar-Update in Solothurn wurden mögliche Lösungswege dazu vorgestellt.

Die Herausforderungen sind gewaltig: Bis in dreissig Jahren soll die Schweiz gemäss der Energiestrategie des Bundes klimaneutral unterwegs sein. Deutlich mehr als die Hälfte der aktuellen genutzten Energieträger sind zurzeit aber noch CO2-lastig. Die Solarenergie soll einen grossen Teil davon ersetzen. Obwohl im letzten Jahr in der Schweiz so viele neue Solaranlagen wie nie zuvor neu registriert wurden, ist in den nächsten Jahren ein weit grösserer Effort nötig, um die ambitionierten Ziele zu erreichen. Helfen sollen unter anderem zusätzliche Förderungen. Doch der angestrebte Zubau von Photovoltaik (PV) erzeugt neue Problemfelder: So müssen die Verteilnetze an die zunehmende dezentrale Stromerzeugung angepasst werden. Zudem wirkt der auch in der Solarbranche spürbare Fachkräftemangel zusätzlich erschwerend. Viele Solarteure wissen schon heute nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht und müssen sogar Projekte ablehnen. Zieht dann wie im letzten Sommer noch ein Jahrhundert-Hagelzug über das Land, werden Personalmangel und aktuelle Lieferengpässe unmittelbar spürbar. Gut, dass es Anlässe wie das Swissolar Solar-Upate in Solothurn gibt, bei dem sich die Fachleute aus der Branche am 25. November wenigstens etwas Klarheit im äusserst dynamischen Photovoltaik-Umfeld verschaffen konnten.

NA-Schutz: Ein Umdenken findet statt

Im regulativen Umfeld gibt es unter anderem Anpassungen in der Niederspannungs-Installationsverordnung (NIV). Die Zulassungsbedingungen seien weiter vereinfacht worden, sagte Thomas Hostettler vom gleichnamigen Ingenieurbüro. Trotzdem bleibe die Prüfung anspruchsvoll. Das Eidgenössische Starkstrominspektorat (ESTI) passte seine Weisungen unter anderem zum Netz- und Anlagen-Schutz (NA-Schutz) an, der demnach ohne weiteres im Gerät innen realisiert werden könne. Der NA-Schutz beschäftige die Branche aber sowieso schon seit vielen Jahren. Er selbst sei Mitglied der entsprechenden Arbeitsgruppe beim Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE), welches das Branchendokument überarbeitete, und habe dort immer wieder die Abschaffung des externen NA-Schutzes gefordert, sagte er zu den rund 180 Teilnehmenden. Denn eigentlich sei dieser ja ursprünglich für grosse Wasserkraftanlagen eingeführt worden und nicht für PV-Anlagen mit Niederspannung. Steter Tropfen höhlt offenbar den Stein: Die jahrelangen Bemühungen von Swissolar hätten bereits zu einem Umdenken beim VSE geführt.

Möglichkeiten der Netzentlastung

Peter Cuony von Groupe E referierte im grossen Saal des Landhauses über das optimale Verhältnis von AC- zu DC-Leistung. Sein Arbeitgeber betreibt ein Verteilnetz, in dem immer mehr dezentrale PV-Anlagen angeschlossen sind. Ihr aktuelles Netz sei auf rund 600 MW Leistung ausgelegt, wovon schon jetzt 200 MW von Solaranlagen besetzt würden. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien werde das Stromverteilnetz früher oder später aber an seine Grenzen kommen. Verteiler und Anlagenbetreiber müssten deshalb gemeinsame Wege finden, um die Zukunft optimal zu gestalten. «Wir bauen unser Netz gerne für Solarstrom aus, wenn das von den gemeinsamen Kunden bezahlt wird», sagte Cuony. An dieser Zahlungsbereitschaft zweifelt er aber offenbar. Ein Ausbau sei teuer und es drohe, dass Anlagen bei fehlenden Kapazitäten abgeschaltet werden müssten, um das Netz nicht zu überlasten. Deshalb müsse man zuerst das Optimierungspotenzial ausschöpfen. Eine Möglichkeit bietet hier die Dimensionierung der Wechselrichter. Bei nach Süden ausgerichteten Anlage reiche bei der durchschnittlichen Einstrahlung im Mittelland 85 Prozent Dimensionierung aus, ohne grössere Ertragsverluste zu erleiden. Das heisst bei 10 kW DC-Leistung reiche es, ein Wechselrichter mit 8.5 kW zu installieren, bei Ost-West ausgerichteten Anlagen reiche sogar 75 Prozent. Wichtige Aufgaben des Wechselrichters werden künftig die Blindleistung sein sowie das Management einer Leistungslimitierung. Die Blindleistung koste nichts, sofern der Wechselrichter richtig dimensioniert sei, sagte er. Der Vorteil: damit steigt die Aufnahmefähigkeit des Netzes und Netzverstärkungen können verhindert oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.

Batterien in den Häusern könnten künftig bei der Netzentlastung helfen.

Eine andere theoretische Möglichkeit zur Netzentlastung wäre der netzdienliche Betrieb von dezentralen Batteriespeichern. Stefan Schori von der Berner Fachhochschule untersuchte im Rahmen des BFE-Projekts Bat4SG den technischen und finanziellen Nutzen von bereits bestehenden Batteriespeichern für das Verteilnetz. Konkret ging es darum, mit Simulationen zu zeigen, ob es sich lohnt, die Batteriespeicher in den Haushalten nicht ­am Morgen so schnell wie möglich zu laden – wie heute üblich –, sondern geregelt über den Tag, um beispielsweise am Mittag Lastspitzen zu brechen. Es zeigte sich, dass Netzverstärkungen in diesem Fall immerhin um rund fünf Jahre herausgeschoben werden könnten für gewissen Leitungen.

Förderungen für Direkteinspeisungsanlagen

Ein gewaltiger Ausbau der Photovoltaik von jährlich mindestens zusätzlich 1500 MW Leistung für Photovoltaik brauche es in den nächsten Jahren zusätzlich pro Jahr zur Erfüllung der Energiestrategieziele, sagte Swissolar-Geschäftsführer David Stickelberger in Solothurn. Im letzten aus PV-Sicht erfreulichen Jahr kam schätzungsweise 600 MW Leistung dazu, was aber immer noch deutlich zu wenig sei. Einfamilienhäuser und Industriegebäude müssten weiterhin deutlich zulegen. Weitere Möglichkeiten sieht Stickelberger im Freiland, beispielsweise über Parkplätzen, Lärmschutzwänden oder an Autobahnböschungen oder beispielsweise auch an Zäunen in der Landwirtschaft.

Solarfaltdächer könnten nicht nur wie hier über Kläranlagen auch über Parkplätzen erstellt werden.

Förderungen sind heute vor allem für Anlagen mit hohem Eigenverbrauch interessant, welche entsprechend flächenmässig optimiert werden. Damit bleiben viel potenzielle Flächen aber ungenutzt, was nun mit der vom Parlament im Herbst verabschiedeten Initiative von Bastien Girod aber ändert. Nun gebe es voraussichtlich ab 2023 zusätzliche Förderungsgelder für Anlagen, die den Solarstrom nur ins Netz einspeisen, erklärte Stickelberger. Zudem werde zurzeit im Parlament mit dem sogenannten Mantelerlass über die Revision des Energie- und Stromversorgungsgesetzes beraten. Swissolar betrachtet das vom Bundesrat in der entsprechenden Botschaft formulierte Ziel mit 17 TWh Strom aus erneuerbaren Energien bis 2035 als zu gering, der Verband denkt hier eher an eine Menge von 30 TWh. Swissolar schlägt zudem eine Vereinheitlichung der Einspeisevergütungen vor, die aktuell sehr tief und regional sehr unterschiedlich seien. Man könne sich zudem eine saisonale Anpassung der Preise vorstellen, sagte Stickelberger. Das mache in Anbetracht der absehbaren Knappheit von Winterstrom Sinn. Zudem brauche es eine Erhöhung des Netzzuschlags von aktuell 2,3 Rappen pro kWh.

Digitalisierung bei Gesuchen und Offerten

Die Solarbranche erlebt zurzeit also einen regelrechten Boom, was auch die Firma Pronovo AG spürt, welche die Förderprogramme des Bundes für die Stromproduktion aus neuen erneuerbaren Energien abwickelt. «Im September des letzten Jahres wurden erstmals über 2000 Neuanmeldungen von PV-Anlagen in einem Monat eingereicht», sagte Hansjörg Bless von Pronovo. Er stellte an der Tagung das neue digitale Kunden-Portal vor, welches das bisherige ineffiziente System mit den Papierformularen ablösen soll. Durch die grossen Zeiteinsparungen könnten die Einmalvergütungen für Photovoltaikanlagen ab 2021 nun bereits nach drei Monaten ausbezahlt werden, sagte Bless. Im nächsten Frühling gibt es Anpassungen bei den Einmalvergütungen, die mehr Anreiz für den Bau von grösseren Anlagen bieten. Der Grundbetrag sinkt auf 350 Franken, dafür wird ab 30 kW Leistung 300 anstatt 290 Franken pro kW ausbezahlt. Neu ist der Neigungswinkelbonus von 250 Franken pro kW zusätzlich zum Leistungsbeitrag bei integrierten Fassadenanlagen, die helfen sollen, die erwarteten Versorgungsengpässe im Winter zu schmälern.

Ein weiterer Digitalisierungsschritt für die Installateure ermöglich das neu lancierte «ElektroForm solar», in Anlehnung an die in der Elektrobranche schon länger existierende ElektroForm-Variante. Damit sollen die Solarteure künftig viel Zeit einsparen, die sie bisher mit der Beschaffung und dem Einreichen der zahlreichen Formulare an verschiedene Stellen und Parteien benötigten. «Sie sollen alles am gleichen Ort eingegeben können», erklärte Andreas Hekler, stellvertretender Geschäftsführer von Swissolar. Die Beta-Version steht zurzeit für Testzwecke gratis zur Verfügung, in den nächsten Wochen soll eine kostenpflichte Vollversion folgen.

Den Reigen von neu lancierten digitalen Formularen schloss schliesslich Roland Frei, Geschäftsführer der energiebüro ag, mit der Vorstellung der Swiss Offer Quality (SOQ) Offertstruktur für Photovoltaikanlagen für Planer und Installateure. Er war Mitglied der Begleitgruppe, welche die SOQ-Offertstruktur ausarbeitete. Es handle sich dabei um eine Initiative aus und für die Branche, sagte er. Ziel ist die Vereinheitlichung und bessere Vergleichbarkeit von Offerten und Ausschreibungen. «Bisher war bei einer Offerte beispielsweise die Arbeitssicherheit dabei, bei der anderen nicht.» Das führe dann nachträglich zu zeitraubenden Diskussionen. Zur Bewältigung des Ausbaus der Photovoltaik in den nächsten Jahren, sei eine Standardisierung des Offertwesens unumgänglich.

www.elektroform.ch/solar

www.swissolar.ch/soq

Publiziert in HK-Gebäudetechnik

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