Der Schweizer Solarwärmemarkt wächst erstmals seit Jahren wieder. Solarwärme soll bei der angestrebten Wärmewende eine tragende Rolle spielen. Wie diese aussehen könnte, diskutierten Experten im September an der Solarwärme-Tagung in Rapperswil.
Nicht alle sind so zuversichtlich, wie ein Deutscher Teilnehmer an der Solarwärme-Tagung, die am 11. September 2018 in Rapperswil stattfand. Der Planer von Grossanlagen in Dänemark sagte in seinem Publikumsvotum, dass er sich in der Schweiz zwischen 10 und 40 Prozent Anteile der Wärmeversorgung aus Solarthermie vorstellen könne. Davon ist die Schweiz aber noch weit entfernt. Im letzten Jahr betrug deren Anteil als Energieträger der Warmwasserversorgung in der Schweiz 2,9 Prozent. Das sei immerhin etwa gleich hoch wie der Stromanteil der Photovoltaik, sagte Swissolar-Geschäftsführer David Stickelberger an der Tagung. Diese fand in diesem Jahr im Rahmen der internationalen Konferenz EuroSun2018 an der Hochschule für Technik in Rapperswil (HSR) statt.
Der Schweizer Solarwärmemarkt ist in den letzten Jahren bekanntlich massiv ins Stocken geraten, doch nun gibt es Hoffnung: Die Verkäufe von verglasten Kollektoren nahmen im letzten Jahr erstmals seit fünf Jahren wieder leicht zu. Am meisten zusätzliche Quadratmeter wurden dabei auf Mehrfamilienhäusern installiert. Als mögliche Gründe für die Zunahme der installierten Flächen nannte Stickelberger die Förderbeiträge, die es in den meisten Kantonen mittlerweile gebe. «Diese decken immerhin durchschnittlich 20 Prozent der durch die Solaranlage entstandenen Mehrkosten ab». Damit sei man gar nicht mehr so weit weg von der Einmalvergütung bei der Photovoltaik. Positive Effekte verspricht sich der Swissolar-Geschäftsführer von den laufenden Revisionen der kantonalen Energiegesetze. Diese sehen vor, dass bei Heizungssanierungen mindestens zehn Prozent der benötigten Energie mit erneuerbaren Energien abgedeckt werden müssten. Er selbst glaube an eine Stabilisierung des Solarwärmemarktes. Doch die Branche müsse günstiger werden: «Eine Preissenkung würde helfen, das Vertrauen von Bauherren und Energiefachstellen zu steigern».
Wärmeinitiative Schweiz für Wärmewende
Der Anteil von Wärme am Endenergieverbrauch beträgt in der Schweiz 50 Prozent. Der grösste Teil davon wird mit fossilen Energieträgern wie Öl oder Erdgas erzeugt. Zur Erreichung der vom Schweizer Parlament ratifizierten internationalen Klimaschutzziele sowie für die Umsetzung der nationalen Energiestrategie 2050 ist aber eine eigentliche Wärmewende nötig. Um diese zu erreichen, schloss sich Anfang Jahr eine Allianz von betroffenen Wirtschaftsträgern, Verbänden und wissenschaftlichen Institutionen in der Wärme Initiative Schweiz (WIS) zusammen. Es handelt sich dabei um ein Projekt von AEE Suisse, der Dachorganisation der Wirtschaft für erneuerbare Energien und Energieeffizienz, welche die Geschäftsstelle der WIS führt. Die Ziele sind hochgesteckt. «Bis 2050 soll die Energie für Wärme und Kälte in der Schweiz zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energien stammen», sagte AEE-Geschäftsführer Stefan Batzli in Rapperswil. Die WIS wolle einerseits direkt in die Politik eingreifen, um die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Andererseits sollen bereits vorhandene Technologien mit Promotionen besser gegenüber der Öffentlichkeit vorgestellt werden: «Mit der WIS wollen wir die Leute erreichen, die darüber entscheiden, welche Heizung in ihrer Immobilie zum Einsatz kommt.»
Mehr Grossanlagen in Österrreich
Im nächsten Jahr soll in Graz der Spatenstich für das mit 250’000 Quadratmetern Kollektorfläche grösste Solarwärmekraftwerk der Welt erfolgen. «Big Solar» soll mit einem Speicher von einer Million Kubikmeter ausgestattet werden. Weshalb investieren Unternehmen in diese gigantische Anlage? «Weil es mit einem Wärmepreis von 3,5 Cent die günstigste Energiequelle ist», sagte Roger Hackstock vom Verband Austria Solar an der Tagung. Der Markt für Kleinanlagen bricht wegen der Konkurrenz von Photovoltaik und Wärmepumpe weg, dafür entstehen in unserem Nachbarland immer mehr solarthermische Grossanlagen. Hackstock sieht die Zukunft in kombinierten, schlauen Systemlösungen anstelle von traditionellen Einzellösungen. Er zeigte das Beispiel des Stadtwerks Lehen in Graz, das digital geregelt mit Fernwärme, 2000 m2 Solarwärmekollektoren, 200 m3 Speicher, Photovoltaik, Bauteilaktivierung eine solare Wärmeabdeckung von 22 Prozent erreicht. Der Impuls für solche kombinierten Projekte komme immer öfter nicht aus der Solarbranche, stellte Hackstock fest. Die Vereinigung der österreichischen Zementindustrie (VÖZ) startete beispielsweise eine Initiative, um Häuser mit Bauteilaktivierung zu bauen, bei denen die Decken und Fundamente aktiviert werden mit der Energie von Solarwärmeanlagen, Windstrom, Photovoltaik und Wärmepumpen. VÖZ führe damit eine Imagekampagne, in der sie Beton als den Energiespeicher der Zukunft positioniere, erklärte Hackstock. Eine Veranstaltungshalle in Salzburg kommt so ganz ohne Heizung aus, nur mit 138 Quadratmeter steil aufgestellten Solarkollektoren, einem Speicher und der Bauteilaktivierung.
Digitalisierung ist im Gang
Als weiteren Trend bezeichnete der Österreicher die Digitalisierung, die mittlerweile auch in der Heizungsbranche angekommen sei. Er nannte das Beispiel des digitalen Handwerksbetriebs Thermondo, der in Deutschland in wenigen Jahren zum grössten Gas-Wasserinstallateur gewachsen ist. Planung und Verkauf sind dort vollständig digitalisiert, dank genauer Planung sind beispielsweise keine Lager nötig, was Kosten spart. Der Österreicher appellierte grundsätzlich zu einer grösseren Perspektive ohne Scheuklappen. «Solarwärme 2.0 erfordert einen anderen Zugang zu Problemlösungen».
Auch Christian Beckmann von Danfoss beschäftigt sich schon länger mit der Digitalisierung. Das Smart Home beispielsweise sei längstens eine Realität und der Umsatz mit Vernetzungen und Steuerungen von Geräten wachse jährlich deutlich an, sagte er in seinem Referat. Er sieht aber ein Problem bei den Installateuren, die sich dieser Entwicklung verwehren und das Wachstum bremsen. In einer Umfrage glaubten 60 Prozent von 2000 befragten deutschen Installateuren, dass ihnen die Digitalisierung der Haustechnikprodukte einen Mehraufwand bringen werde. Für Christian Beckmann ist klar: «Installateure, die ihren Fuss nicht in diesen Markt reinhalten und ihr Unternehmen weiterentwickeln, werden sehr bald zu reinen Schraubern werden.»
Solarwärme zur Regeneration von Erdsonden
Der kombinierten Nutzung von Solarwärme gehört die Zukunft. Eine wichtige Rolle könnte überschüssige Solarwärme beispielsweise bei der Regeneration von Erdsondenfeldern spielen, findet Raumplaner und Energieexperte Bruno Hoesli. Der Partner von Planar AG und Raumentwicklung stellte das Sanierungsprojekt der Wohnsiedlung «Im Heugarten» in Mönchaltorf vor, bei dem der Heizölanteil von 85 auf 20 Prozent gesenkt werden konnte. 16 Erdsonden in 250 Meter Tiefe liefern mit Hilfe einer Wärmepumpe 55 Prozent der Endenergie. Fünf Prozent wird mit Hilfe von Sonnenkollektoren beigesteuert. Die überschüssige Solarwärme geht im Sommer in den Boden und erhöht dort die Anfangstemperatur beim Start der Heizperiode, was sich in tieferen Strompreisen für die Wärmepumpe auszahlt. «Wir erhoffen uns zudem durch die Regeneration durch Solarwärme eine höhere Lebensdauer des Erdsondenfeldes», sagte Hoesli.
Saisonale Wärmespeicherung
Die Speicherung des «solaren Überschuss» im Sommer ist in unseren Breitengraden eine der Herausforderungen, welche gelöst werden muss, um möglichst hohe solare Deckungsgrade zu erzielen. Zurzeit ist Wasser immer noch das Speichermedium der Wahl im Temperaturbereich zwischen 30 °C und 100 °C. Das Volumen entscheidet dabei über die Speicherkapazität, allerdings nicht nur. Mit Vakuum-Wärmedämmung lässt sich der Energieverlust deutlich senken und den Wirkungsgrad dadurch erhöhen. «Sinkt die Temperatur bei einem konventionell gedämmten Solarspeicher mit einer Anfangstemperatur von 90 Grad nach drei Monaten Entladung auf weniger als 30 Grad, beträgt sie bei einem Vakuum-gedämmten Speicher immer noch 60 Grad», erklärte Harald Drück vom Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung (IGTE) in Stuttgart. Als eigentliche Königsdisziplin bezeichnete er die thermochemische Speicherung. Dabei kommt bei der Sorption ein poröses Material wie Zeolith zum Einsatz, das bei der Desorption mit Hilfe von heisser Luft aus dem Sonnenkollektor getrocknet wird. Bei der Adsorption wird umgekehrt Wasserdampf aus der Raumabluft angelagert, wobei die gespeicherte Wärme frei wird. «Der Vorgang ist praktisch verlustfrei und die Energiedichte ist um einiges höher als bei der Wasserspeicherung», sagte Drück. Noch mehr Speicherdichte wird mit chemischen Reaktionen erreicht.
Renaissance von Fassadenkollektoren
Fassadenkollektoren für die Wärmeproduktion werden wieder interessant, findet Andreas Haller von Ernst Schweizer AG. Beispielsweise wenn ein Dach bereits mit Photovoltaik bedeckt ist, das Dach nicht ideal liegt oder in schneereichen Regionen. Dann kämen thermische Fassadenkollektoren ins Spiel, sagte er in seinem Referat. Die Solarwärme könnte mit der Reduktion von sommerlicher Überhitzung in Gebäuden künftig einen interessanten Nebeneffekt bieten. Er nannte auch gestalterische Gründe, so seien heute wie bei der PV schon farbige Spezialgläser verfügbar. Zudem seien die Erträge bei Fassadenkollektoren gleichmässiger über das Jahr verteilt. Auch für Haller liegt die Zukunft in der kombinierten Verwendung der Solarwärme beispielsweise für die Warmwasser-Aufbereitung, Heizungsunterstützung und der Regeneration der Erdwärmesonde. Entsprechend gebe es mehrere Betriebsmodi verteilt über das ganze Jahr. Zu beachten sei jeweils die Statik vor allem bei grossen Häusern, sagte Haller: «Sobald man mit Kollektoren in die Fassade geht, ist die Statik nicht mehr so trivial.» Die Einbeziehung eines Statikers sei deshalb bei seinem Arbeitgeber Standard.
Bei Fassadenkollektoren ist die Lichteinstrahlung gleichmässiger über das Jahr verteilt.Daniel Zenhäusern vom Institut für Solartechnik SPF der HSR erstellte für Energie Schweiz die Studie «PVT-WrapUp» über die Situation von PVT-Kollektoren in der Schweiz, der kombinierten Produktion von Solarwärme und -strom in einem Kollektor. Die Grundidee der kombinierten Nutzung von PVT sei es, Nutzwärme anstatt effizienzreduzierender Abwärme zu haben, erklärte Zenhäusern. In der Schweiz gab es Ende 2016 rund 300 PVT-Anlagen mit einer Fläche von 15000m2. Am häufigsten werden PVT-Anlagen zur Warmwasserproduktion und zur Erdsonden-Regeneration eingesetzt. Noch ist das Interesse an der PVT-Technologie aber eher gering, wie eine Umfrage in der Branche zeigte. Als Hauptgrund für das Desinteresse gaben die befragten Firmen die hohen Kosten und die mangelnde Wirtschaftlichkeit an.
Kaum Prozesswärme in der Schweiz
Solare Prozesswärme wird in der Schweiz bisher nur von ein paar Milchverarbeitungsbetrieben ernsthaft genutzt. Martin Guillaume von der Haute Ecole d’Ingénierie et de Gestion du Canton de Vaud und Marco Caflisch vom SPF klärten das Potential von solarer Prozesswärme in der Schweiz ab. Als mögliche geeignete Abnehmer für Wärme bis 100 C kristallisierten sich Betriebe in der Lebensmittel-, Textil-, Papier- oder Pharmaindustrie heraus. An der Tagung in Rapperswil sprachen sie von einem theoretischen Wärmenutzungspotenzial für Solarwärme in diesen vier Industrien, das bei einer Menge von 8 Prozent der von der Industrie in der Schweiz gesamthaft benötigten Energie liegt. Obwohl einige Betriebe zwar Abklärungen machten, sprachen sie sich bisher in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen gegen die Nutzung von Solarwärme aus. Und hier liegt immer noch einer der Hauptgründe, weshalb die Solarwärme nur langsam vorwärtskommt. Oder wie es eine Publikumsstimme ausdrückte: «Solarthermie ist immer noch kein Business Case!»