Viele Alpbetriebe produzieren ihren Strom mit Benzin- oder Dieselgeneratoren. Ein Älpler im Berner Oberland zeigt nun eine umweltfreundliche Alternative auf: Er speichert Solarstrom in einer mobilen Salzbatterie.

Der Wind bläst kräftig an diesem Tag auf der Alp Honegg oberhalb von Eriz. Kein Wunder, ist hier im Berner Oberland seit längerem ein Windpark geplant. Doch bis dieser kommt, wird es noch Jahre dauern. Zu lange für Bauer Bernhard Aeschlimann. Seit sieben Generationen verkäst seine Familie im Sommer hier oben die Milch von heute 29 Kühen der Rasse Simmentaler Fleckvieh zu Alpkäse. Er bewirtschaftet die Alp gemeinsam mit Sohn Martin und Frau Marianna. Eine Stromleitung gibt es hier wie auf so vielen Alpen in der Schweiz nicht. Deshalb stört besonders zu den Melkzeiten am Morgen und am Abend an vielen Orten das Motorengeräusch von Stromgeneratoren die Idylle. Ein Tolggen im Reinheft, findet Aeschlimann. «Es ist irgendwie kein gutes Gefühl, mit Käselaibern ins Tal runter- und mit gefüllten Benzinkanistern wieder raufzufahren.» Er suchte deshalb lange nach einer sauberen Lösung für die Stromversorgung auf der Alp. Ein eigenes Windrad wäre zu teuer gekommen und der Transport über die kurvige Strasse eine zu grosse Herausforderung gewesen. Da kam ein Inserat in einer Fachzeitschrift gerade recht, in dem ein Alpbetrieb ohne Stromzufuhr von aussen gesucht wurde, der sich für die Installation einer speziellen Photovoltaikanlage im Inselbetrieb zur Verfügung stellte. Aeschlimann meldete sich noch am gleichen Tag auf die Anzeige. Am anderen Ende der Telefonleitung meldete sich Max Ursin, Batteriespeicher-Pionier und Gründer des Start-Ups Innovenergy GmbH.

Martin, Marianna und Bernhard Aeschlimann arbeiten seit diesem Jahr auf ihrer Alp mit eigenem Solarstrom, der in einer mobilen Salzbatterie gespeichert wird.

Anlage ist zusammenfaltbar

Ursin hat eine Vision. Nicht nur auf den Schweizer Alpen sondern vor allem auch in vielen Entwicklungsländern laufen viele Dieselgeneratoren, die dort überhaupt erst das Arbeiten und Leben mit Strom ermöglichten. Gerade in diesen Ländern gäbe es aber saubere Solarenergie in rauen Mengen, sagt er. Das Problem sei einzig die Speicherung des Solarstroms. Er hat die Lösung, und diese ist salzig. Was er IndieWatt nennt ist ein System basierend auf einer Salzbatterie – sie besteht tatsächlich vor allem aus Kochsalz – und mehreren Wechselrichtern, die die Batterie hier auf der Alp Honegg seit Juni mit Solarstrom laden. Das System IndieWatt passt auf einen einachsigen Anhänger, für den die holprige Waldstrasse zur Alp keine ernsthafte Herausforderung darstellte. Die 40 Quadratmeter Photovoltaikmodule waren aber doch etwas zu teuer nur für einen temporären Betrieb von ein paar Monaten auf der Alp. Für Aeschlimann lag die Lösung auf der Hand: «Wir mussten auch die Photovoltaik-Anlage mobil machen.» Denn nur wenn er die Anlage während dem Rest des Jahres auch auf dem Talbetrieb in Schwarzenegg laufen lassen konnte, machte diese Investition Sinn. Zusammen mit seinem Sohn Martin brachte er eine Skizze auf Papier, die im letzten Winter mit Hilfe von Trennscheibe und Schweissapparaten in der Werkstatt der Landmaschinen-Firma Mischler in Schwarzenegg umgesetzt wurde. Die mobile Solaranlage Marke Eigenbau lässt sich nach dem Handorgelprinzip zusammenfalten und auf einen Anhänger verladen. «Zwei Stunden dauert der Auf- oder Abbau», sagt Aeschlimann. Wegen dem Wind muss die Anlage mit Gewichten befestigt werden und wird hier oben im rauen Klima zusätzlich verstärkt mit Spannbändern. «Natürlich sei der Prototyp vor allem ästhetisch noch nicht perfekt», sagt Aeschlimann. Doch funktioniere das System reibungslos und er sei mit der «eingefalteten» Anlage sogar schon auf der Autobahn unterwegs gewesen.

Die mobile Salzbatterie speichert den Solarstrom und kann den Alpbetrieb während drei Tagen ohne Sonne mit Strom versorgen.

1200 Tonnen CO2 einsparen

Der IndieWatt-Anhänger mit der Batterie steht in der Scheune neben dem Benzin-Stromgenerator. Den brauche es jetzt nur noch zwischendurch, wenn die Sonne zu wenig scheine, sagt der Bauer. Der Solarstrom aus der Salzbatterie mit der Speicherkapazität von 28 Kilowattstunden und einer Wechselrichterleistung von mehr als 9 Kilowatt reiche aber normalerweise problemlos aus, um die Melkmaschine, die Milchkühlung, alle Pumpen sowie das Licht gleichzeitig laufen zu lassen. Er schätzt, dass eine Batterieladung für drei Tage Alpbetrieb reicht. Früher benötigte Älpler Aeschlimann in 100 Tagen 1000 Liter Benzin für die Stromherstellung. Heute brauche es nur noch einen Bruchteil davon. Ihn freut zudem, dass die Salzbatterie von einer Tessiner Firma produziert wird. Eine Schweizer Antwort auf die Tesla-Batterie aus Nevada also, preislich konkurrenzfähig und dazu noch deutlich umweltfreundlicher, da alle verwendeten Rohstoffe in ausreichender Menge auf der Welt vorkommen und recycelt werden können. Der IndieWatt sei zwar wie die mobile Solaranlage noch ein Prototyp. Und obwohl die Batterie zuverlässig arbeite, bestehe noch Optimierungspotenzial, sagt Aeschlimann. Die bei ihm gemachten Erfahrungen fliessen nun in die Weiterentwicklung ein. Und die Serienreife ist nahezuh erreicht: Ab Ende August kann der IndieWatt vorbestellt werden. Energieunternehmer Ursin schätzt, dass auf den Schweizer Alpen mit dem IndieWatt theoretisch jährlich rund 2 Millionen Liter Diesel oder 5000 Tonnen CO2 eingespart werden könnten. Die Sonne scheine ja auf allen Alpen und auch der Strom von kleinen Wasserkraftwerken oder Windrädern könne in der mobilen Batterie umweltfreundlich gespeichert werden, sagt der Unternehmer.

Die Kühe der Aeschlimanns haben sich inzwischen daran gewöhnt, dass es beim Melken nun ruhiger zu und her geht, ohne Motorenlärm des Generators. Im Wohnhaus auf der Alp Honegg läuft allerdings immer noch alles ohne «Salzstrom». Die Familie habe entschieden, das Wohnhaus nicht anzuschliessen, um das traditionelle «Älplerfeeling» zu bewahren. Die dort seit Jahrzehnten installierte Minisolaranlage mit einer kleinen Batterie liefere genug Strom für das Licht. Und mehr brauche es nicht, findet Marianna Aeschlimann: «Es muss ja nicht sein, dass hier oben auch noch ein Fernseher läuft».

Publiziert im Mediendienst des Landwirtschaftlichen Informationsdienstes (LID)

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