Solardach auf einem Industriegebäude

Während der Logistik-Krise in den letzten beiden Jahren forderten viele eine Wiederbelebung der europäischen Solarindustrie. Firmen wie Meyer Burger stiegen auf den Zug auf, leiden nun aber bereits wieder an der Schwemme von billigen Modulen aus Fernost.

Erinnern Sie sich noch an die Lieferengpässe von Solarmodulen während der Pandemie und nach dem Start des Ukrainekriegs? Die endgültig ans Tageslicht getretene Abhängigkeit von Fernost rief die europäischen Politiker aufs Tapet. Mehr Europa in den Solarmodulen, so der Tenor. Denn die europäische Solarindustrie musste bekanntlich schon vor Jahren die Segel streichen, wegen der Konkurrenz aus Fernost. In Anbetracht der Krisen wurde nun von breiten Kreisen die Wiederbelebung der europäischen Solarindustrie gefordert. Gesagt getan: Das traditionelle Solarunternehmen Meyer Burger beispielsweise investierte in Produktionsstätten in Bitterfeld-Wolfen, wo nun Hochleistungs-Solarzellen aus Europa von Europa hergestellt werden.

Waver aus Norwegen

Die Firma Meyer Burger mit Schweizer Wurzeln wolle künftig Schlüsselkomponenten wie Solarglas, Folien, Chemikalien, Prozessgase etc. vermehrt in Europa beschaffen, teilte sie mit. Besonders gefallen hat mir dann die Mitteilung im August 2022, wonach sie einen Liefervertrag für Silizium-Wafer mit dem norwegischen Hersteller Norwegian Crystals unterzeichnet hat. Mit der Lieferung erster Mengen an Wafern aus europäischer Produktion schliesse Meyer Burger die letzte Lücke im strategischen Wiederaufbau einer europäischen Lieferkette für die Produktion von Solarzellen und Solarmodulen, liess sich COO Daniel Menzel zitieren. Das ist doch richtig cool, dachte ich mir.

Mein Gang an die Börse

Ich habe mir zwar schon vermehrt geschworen, mich von Börsenspekulationen fernzuhalten, weil ich da bis jetzt eigentlich noch nie ein gutes Händchen hatte. Doch mit Meyer Burger wurde ich wieder einmal schwach: Solareuphorie in Europa, Eigene Produktion, Hochqualitätsmodule. Egal, wie wenig erfolgreich die Firma im letzten Jahrzehnt war. Da wollte ich ein Teil davon sein. Ich kaufte mir also die Aktien, vor allem aus Überzeugung und weil ich hinter der Philosophie stehen konnte. Und zu Beginn schien sich sogar die Börse einmal zu meinen Gunsten zu bewegen, ich staunte vorerst über zweistellige Prozentzahlen bei der Rendite. Doch die Jahreskurve sieht heute leider ähnlich aus, wie die Ertragsgrafik von meiner eigenen Solaranlage an einem schönen Sommertag. Um beim Bild zu bleiben: wir sind nun am Abend angelangt. Die Aktienkurse von Meyer Burger sind in den letzten Wochen richtiggehend eingebrochen (zum aktuellen Kurs). Was ist passiert?

Flut von Modulen aus Fernost

Eine Erklärung folgte im August dieses Jahres. In einer Medienmitteilung wurde zwar von einem um 70 Prozent höheren Umsatz im ersten halben Jahr auf 97 Millionen Franken berichtet. Doch der gleichzeitige Verlust von über 43 Millionen Franken liess dann schon aufhorchen. Meyer Burger schreibt von einem «Marktversagen» in Europa, verursacht durch eine Schwemme von billigen chinesischen Solarmodulen. Diese werden zu Dumpingpreisen angeboten, welche das auflodernde Feuer einer europäischen Solarindustrie offenbar bereits wieder am Löschen ist. Für Meyer Burger bestehe derzeit kein Anreiz mehr, weitere europäische Kapazitäten aufzubauen, solang sich das Umfeld nicht ändere. Respektive die Politik aktiv werde, heisst es weiter.

Attraktiveres Umfeld in den USA

In den USA scheint das Umfeld deutlich besser zu sein. Meyer Burger fokussiert sich deshalb nun mehr auf den Aufbau von neuen Solarzellenfabriken in den USA. Damit reagiere das Unternehmen konsequent auf die derzeitigen Marktverwerfungen in Europa. Bis zur Heilung des Marktversagens will die Firma die Kapazitäten unter den industriepolitisch attraktiveren und nachhaltigeren Bedingungen in den USA ausbauen.

Geiz ist geil ist zurück

Aus der Traum von europäischen Modulen also! Nun ja, es gibt sie natürlich schon noch. Beispielsweise sogar aus der Schweiz von der einst von Meyer Burger abgespaltenen 3S in Thun. Doch diese sind halt etwas teurer! Hier behält Bertolt Brecht offenbar wieder einmal recht: Das Fressen kommt vor der Moral! Der Solarboom findet deshalb in der Schweiz vor allem mit China-Ware statt. Vergessen sind die Lieferengpässe der letzten beiden Jahre, egal sind die Produktionsbedingungen vor Ort und bei der grundsätzlichen Abhängigkeit schauen wir nach alter Manier wieder grosszügig weg. Bis zur nächsten Versorgungskrise!

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