Das Stromnetz stösst zu Spitzensolarstrom-Zeiten an seine Grenzen. Smarte Lösungen stimmen Verbrauch und Erzeugung besser aufeinander ab und reduzieren so den teuren Netzausbau. Einzelne Energieversorger bieten hier bereits Lösungen an. So zahlt es sich plötzlich aus, freiwillig auf die Einspeisung eines Teils des Solarstroms zu verzichten.
Noch erhalte ich von meinem lokalen Energieversorger (EVS) magere 9.9 Rappen pro ins Netz gelieferter Kilowattstunde Solarstrom. Doch selbst diese Zeiten werden unweigerlich zu Ende gehen. Denn mit dem weiteren Zubau von Solaranlagen stösst die Aufnahmefähigkeit des Stromnetzes in der Schweiz endgültig an seine Grenzen. Mein EVS ruft deshalb bereits dazu auf, doch nur noch auf Eigenverbrauch optimierte Solaranlagen zu installieren. Das hiesse dann: Ein Dach wird nur noch zu einem Drittel mit Solarmodulen belegt. Schade eigentlich für das vergebene Potenzial. Schliesslich wären die Solarteure bereits vor Ort, das teure Gerüst gestellt und der Preis für die Solarmodule zurzeit extrem tief.
Dynamischen Preisen gehört die Zukunft
«Drohungen» stehen im Raum, das Solaranlagen künftig um die Mittagszeit bei maximaler Sonneneinstrahlung temporär gesperrt werden könnten. Die Branche spricht hier von Abregelung. Das hört sich dramatisch an. Doch Fakt ist: Die oberen 50 Prozent der Leistung einer Photovoltaikanlage tragen kaum zu deren Finanzierung bei. Die Höchstleistung wird nur an wenigen Tagen oder gar Stunden im Jahr erreicht. Anders gesagt: Diese paar Kilowattstunden geben wenig Geld. Für den Netzbetreiber sind aber genau diese Spitzen ein Problem, weil sie das ganze Netz nach diesen ausrichten müssen. Stimmen werden deshalb lauter, die den wegen den volatilen Solaranlagen nötigen teuren Ausbau des Stromnetzes kritisieren. Doch diese Diskussionen sind wenig lösungsorientiert und nicht auf die Zukunft ausgerichtet. Denn diese gehört den dynamischen Abnahmepreisen. Und diese bieten grosse Chancen.

Fixe Mindestvergütungen sind nicht attraktiv
Aber, was heisst dynamische Preise? Diese richten sich nach der Nachfrage und Verfügbarkeit. Das heisst: Wenn zu viel Strom von den Solaranlagen kommt respektive es zu wenig Abnehmer hat, dann ist der Preis tief. Oder vielleicht sogar negativ. Wer dann Strom liefert, müsste sogar draufzahlen. Beispielsweise an einem sonnigen Sonntagnachmittag im Sommer, wenn in den Unternehmen niemand arbeitet. Gute Preise gäbe es dafür am Morgen oder im Winter, wenn die Solarstromproduktion naturgemäss tief ist. Viele Besitzenden von Solaranlagen schreien nun bereits Zetermordio, weil sie um ihre solaren Einkünfte fürchten. Sie rufen nach weiterhin fixen Vergütungspreisen. Doch möglicherweise schiessen sie hier ein klassisches Eigentor. Denn die Preise werden auf jeden Fall sinken, obwohl gesetzlich eine Mindestvergütung garantiert ist. Doch diese dürfte mittelfristig eher bei weniger als 6 Rappen liegen. Besser würden sich die Solarstromproduzenten deshalb marktgerechter verhalten und mehr verdienen. Einige EVS bieten ihnen bereits Möglichkeit dafür an.
Mit Anreizen die Spitzen brechen
Die SWL Energie AG in Lenzburg beispielsweise bietet Solarproduzenten ein Produkt an, bei welchem sich diese freiwillig dazu verpflichten, nur maximal 50 Prozent der installierten Modulleistung ins Netz zu liefern. Dafür geltet das Unternehmen den tatsächlich abgelieferte Solarstrom mit zusätzlich 2 Rappen zur sonstigen Einspeisevergütung ab, bei installierten Leistungen von unter 30 Kilowatt. Bei grösseren Anlagen bezahlt sie sogar noch mehr. Unter dem Strich dürfte daraus ein Nullsummenspiel für die Solarstromliefernden entstehen. Das EVS aber kann dadurch im idealen Fall auf den teuren Netzausbau verzichten. Fachleute sehen durch diese bessere Abstimmung des Stromverbrauchs und der -erzeugung mit smarten Technologien ein grosses Potenzial für die Entlastung des Stromnetzes.
Niedertarif um die Mittagszeit
Die Westschweizer Group E war eine der ersten EVS in der Schweiz, welche mit dem Produkt «Vario» ein System mit dynamischen Preisen anbot. Die Primeo Energie in Münchenstein bietet seinen Solarstromproduzierenden mit «SolarAktiv» ein Produkt mit verschiedenen Vergütungspreisen je nach Tages- und Jahreszeiten an. Der Niedertarif gilt von 12.00 bis 15.00 Uhr. Er beträgt im Sommer 4 Rappen im Winter 9 Rappen. Zu den übrigen Zeiten gilt der Hochtarif von 12 beziehungsweise 24 Rappen für den Winterstrom. Besitzer oder Besitzerinnen von Hausbatterien oder einem Elektroauto laden diese dann eben nicht mehr am Morgen mit den ersten Sonnenstrahlen, sondern um die Mittagszeit, wenn es mit dem Solarstrom viel weniger zu verdienen gibt. Mit solchen Anreizen motiviert Primeo Energie seine «Kundschaft», sich netzdienlicher zu verhalten. Das könnte für diese auch heissen, Solarfassaden für die Winterstromproduktion bauen oder sich noch mehr Speichermöglichkeiten anzuschaffen. In ihrem Flyer schreibt Primeo Energie, dass die Erträge von Anlagen so um bis zu 30 Prozent im Vergleich zum Standardtarif erhöht werden könnten.

Smarte Möglichkeiten nutzen
Neben den oben beschriebenen Möglichkeiten besteht noch eine Vielzahl von Möglichkeiten, den Verbrauch von Strom besser an dessen Verfügbarkeit im Netz abzustimmen. Die technischen Möglichkeiten dazu sind vorhanden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass bei den Haushalten auch SmartMeter installiert sind. Tausende von stromfressenden Elektroboilern werden beispielsweise immer noch in der Nacht geladen, vermutlich aus traditionellen Gründen. Technisch wäre es kaum ein Problem, dass ein EVS deren Steuerung übernimmt und die Laufzeit an die verfügbare Netzkapazitäten anpasst. Doch zurück zu den Herstellern von Solarstrom: Für diese ist ein dynamisches Marktumfeld langfristig ein Vorteil. Vor allem grössere Anlagen dürften durch diese Anreize immer mehr zu aktiven Markteilnehmenden werden. Mit grossen Batterien beispielsweise, welche für Regelenergieleistungen optimiert werden. Wir kleineren Solarstromproduzenten können nur hoffen, dass noch mehr EVS die oben beschriebenen Branchekollegen nachahmen. Zu einer netzdienlicheren Zukunft, die allen dient!