Architekten sträubten sich bisher oft aus ästhetischen Gründen gegen Solarmodule. Dank neuen Technologien lässt sich heute Solartechnik aber vielfältiger anwenden. Sie wird deshalb immer mehr zum festen Bestandteil der Gebäudetechnik.

Eine Fahrt durch die Schweiz bringt es an den Tag: Photovoltaik (PV) auf Hausdächern oder an Fassaden ist immer noch selten. Dabei wäre das Energie-Potenzial beachtlich: Es wird je nach Quelle bis auf 67 Terawattstunden (TWh) geschätzt. Zurzeit sind es gerade einmal zwei TWh. Weshalb eigentlich nur so wenig? Ein wichtiger Grund liegt in der Skepsis der Architekten gegenüber der Solarenergie respektive den Modulen, die oft ihre ästhetischen Anforderungen an das Gebäude nicht erfüllten. Doch hier hat sich das Blatt gewendet. Solartechnik gibt es heute in allen Farben und Formen, massiv als Dachziegelersatz, biegbar oder transparent, zur Produktion von Wärme oder Strom oder sogar kombiniert mit Grünfläche. «Heute ist es problemlos möglich, PV am Bau gar nicht mehr zu zeigen», sagte Architekt und ETH-Dozent Daniel Studer am ersten Symposium für Solares Bauen in Zürich. Der Anlass richtete sich speziell an Architekten und andere Akteure der Baubranche, die sich über Möglichkeiten der Integration von Solartechnologie in ihrer Arbeit informieren wollten.  

Von «kämpfen für architektur ag» saniertes Apartmenthaus in Zürich-Schwamendingen mit thermischen Solarkollektoren an der Fassade.
Mit Solarfassade Geld verdienen

«80 Prozent des Energieverbrauchs in der Schweiz stehen irgendwie in Verbindung mit Architekten», sagte Studer in seinem Referat. Es war also höchste Zeit, dass sich die Solarbranche mit dem Symposium gezielt an diese Klientel richtete. Denn neben der technologischen Weiterentwicklung der Module sprechen mittlerweile auch wirtschaftliche Gründe für die Verwendung von PV, insbesondere in Neubauten. Bisher verursachten übliche Dachkonstruktionen und Fassaden bekanntlich nur Kosten. Doch gerade mit den in den letzten zehn Jahren dramatisch gesunkenen Preisen für PV-Module sieht das nun anders aus: Mit Solardächern und -fassaden lässt sich nicht nur Geld sparen, sondern sogar verdienen. Die immer noch oft gestellte Frage «warum Solar?» sei deshalb falsch, fand Studer. Sie müsste umgekehrt lauten: «Weshalb hast Du in Deinem neuen Haus keine Solaranlage eingebaut und verschenkst Geld?»

Photovoltaik in Planung einbeziehen

Solar sei bisher immer noch vor allem als Investition wahrgenommen worden, sagte auch Roland Frei, Geschäftsführer von energiebüro AG in Zürich. «Doch nun wird Solar ein Produkt und ein fester Bestandteil der Gebäudetechnik.» Frei bemängelte den zurzeit aber noch oft fehlenden integralen Ansatz, wenn sich Architekten an die Planung eines Neubaus machten. Die Solarenergie werde zu wenig als Teil der Gebäudeenergieversorgung betrachtet und immer noch zu oft nur als Zusatz. Als Beispiel einer integral erfolgten Planung nannte er den Einkaufsstore in Etagnières, wo die Solarenergie von Anfang fixer Bestandteil im Energiesystem mit einem Eisspeicher war. Oft würden Überlegungen zur Verwendung von Solarenergie zu spät im Prozess angestellt, sagte Frei. Dann sei es schwierig, nachträglich noch irgendwie hereinzukommen, weil der Bauherr nur noch auf die Zusatzkosten schaue. In Zukunft werde es deshalb extrem wichtig sein, die Bauherrschaft von vornherein für sich zu gewinnen. «Sonst werde die Gebäudeintegrierte Photovoltaik (GIPV) ein Nischenprodukt bleiben.»

Das PlusEnergie Mehrfamilienhaus deltaROSSO in Vacallo (TI) wurde von de Angelis Mazza Architekten gebaut. Solarmodule sind in die Fassade integriert, die Betonhülle wird als Speichermasse für die Wärme genutzt. (Bildautor: L. Carugo)
Farbige Module

Bis vor ein paar Jahren stellte eine PV-Anlage noch ein Statussymbol dar und wurde gerne lapidar als «Ferrari auf dem Dach» bezeichnet. Diese Zeiten sind vorbei: Heute soll PV gar nicht mehr als solche zu erkennen sein. Fassadenmodule erscheinen heute dank Vierfarbendruck beispielsweise als «gefakte» Holzfassade. Beim anschliessend an das Symposium besuchten totalsanierten Appartementhaus in Zürich-Schwamendingen waren selbst die thermischen Solarmodule an der Südfassade erst auf den zweiten Blick erkennbar. Diese neuen Möglichkeiten machen Solarenergie nun offenbar interessanter für Architekten, die sich bisher mit den konventionellen, markanten schwarzen Standardmodulen in ihrer Kreativität eingeschränkt fühlten. Architekten sei es nämlich grundsätzlich egal, was im Modul stecke, sagte Architekt Studer. Für diese ist viel wichtiger, dass es ästhetisch passt. Und das wird mit verschiedenen Farben zweifellos einfacher. Doch das Ganze hat einen Haken: Die Wirkungsgrade sind je nach Farbe deutlich tiefer und gefärbte Module sind teurer. Studer fand aber trotzdem: «Vielleicht verliert man mit Farbe etwas Wirkungsgrad, das ist aber immer noch besser als Null». Kritischer äusserte sich Stefan Kobler von Kioto Photovoltaics Schweiz GmbH in seinem Kurzreferat. Sein Arbeitgeber hat sich auf den kostengünstigeren Verbau von einfachen Standardmodulen spezialisiert. «Sobald wir mit Farben hereingehen explodieren die Kosten», sagte er. Und das wirke auf viele Bauherren negativ.

Die Schweizer Firma Megasol stellte am Symposium ihre farbigen PV-Module aus.
Präsentationen von Vorzeigeobjekten

Noch sind Leuchtturm-Projekte als Überbringer der guten Botschaft des solaren Bauens nötig. Wie beispielsweise die mehrfach ausgezeichnete Plus-Energie Überbauung in der Thurgauer Gemeinde Tobel, vorgestellt von Stefan Wyss von Fent Solare Architektur. Die dort auf dem Gelände einer Industriebrache errichtete Siedlung wird CO2-frei betrieben und bietet 20 Prozent günstigere Wohnungen als in der Region üblich an. «Dank und nicht trotz Klimaschutz», sagte der Architekt sichtbar stolz. Bei der Fassade wurde das eigene System Lucido verwendet. Es ermöglicht die natürliche Frischluftvorwärmung anstatt einer mechanischen Zu- und Abluftanlage. Schon mit dieser rein physikalischen Lösung werde Strom eingespart. Der Strom von der Photovoltaik in der Fassade kostet pro kWh 10 Rappen und wird für Wärme, Haushaltstrom und E-Mobilität verwendet. Der Eigenverbrauchsanteil sei auch im Winter hoch. In der nach Minergie P-Standard gebauten Siedlung bestehe zudem 90 Prozent weniger Energie-Abhängigkeit, als wenn das Gebäude nach den Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) gebaut worden wäre, sagte Wyss. Auch interessant: Die Rendite der Siedlung beträgt nach seinen Aussagen beachtliche 5,8 Prozent.

Stadt aktiv und passiv solar gestalten

Doris Österreicher von der Universität für Bodenkultur Wien stellte das Stadtentwicklungsprojekt Seestadt in Wien vor, bei dem auf einem ehemaligen Flugfeld eine Siedlung gebaut wird, welche die Anforderungen an nachhaltiges Bauen und Wohnen optimal erfüllen soll. Effizienz und erneuerbare Energie seien die Hebel, mit denen man bei der Städtebauentwicklung etwas erreichen könne, sagte sie. Dabei steige insbesondere der Kühlbedarf in den immer heisser werdenden Sommermonaten. «Wenn möglich sollte man die Hitze passiv abführen können, ohne mühsam erneuerbare Energie zur Kühlung zu erzeugen», erklärte sie. Die Architektin plädierte überhaupt für mehr passive Solarenergienutzung. So könne man die Gebäudemasse zur Energiespeicherung nutzen. In Österreich erlebt beispielsweise die Betonindustrie einen Aufschwung, weil sie immer häufiger als Speicher von Solarwärme genutzt werden.

Die Plus-Energie Überbauung in der Thurgauer Gemeinde Tobel zieht nahezu alle möglichen Register des nachhaltigen Bauens und funktioniert CO2-frei. (Bildautor: Fent Solare Architektur)
Praxisbeispiele von solarem Bauen

Das zahlreich erschienene Publikum – das Symposium war bis auf den letzten Platz besetzt – konnte sich in Kurzpräsentationen davon überzeugen, dass Solares Bauen längstens Realität ist. Einige der Projekte sind auf der neu lancierten Internetplattform solarchitecture.ch vorgestellt. Der österreichische Architekt Walter Klasz stellte das von ihm geplante Kirchen- und Gemeindezentrum Rif in der Nähe von Salzburg vor. Die grössten Flächen des Vollholzgebäudes sind Richtung Süden und Westen hin zur Sonne geneigt, zur Optimierung der Energieerträge aus der integrierten thermische Solaranlage. Die Solarwärme wird mit Betonkernaktivierung gespeichert. Andreas Doser von ad2 Architekten in Weiden am See (A) präsentierte das monolithisch gebaute Bürogebäude eines Windstrom-Unternehmens im österreichischen Parndorf. Die bis zu 4,48 Meter langen in die Fassade integrierten PV-Panele sind als solche erst auf den zweiten Blick erkennbar. Dabei wurde mit der Transparenz gespielt: Im oberen und unteren Teil ist die PV dichter als im mittleren.

Rentiert solares Bauen?

Zwischen den Referaten diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus der Bau- und Immobilienbranche sowie von den Behörden über die Potenziale des solaren Bauens und deren Wirtschaftlichkeit. Christian Erb vom Immobiliendienstleister tend AG äusserte dabei seine Skepsis. Die Mehrheit seiner Kunden seien nicht bereit, beispielsweise energetisch sinnvolle dickere Mauern zu bauen, weil damit Wohnfläche verloren geht. Sein Fazit der Diskussion: Es gebe bei Mietern kaum eine zusätzliche Zahlungsbereitschaft für ökologische Mehrwerte. Architekt Stefan Wyss beendete die Diskussion mit einem positiven Ausblick. Wie das Beispiel Tobel zeige, könne man der demonstrierenden Jugend heute Lösungen anbieten: «Die Frage ist nur noch, ob wir diese auch wollen.»

Publiziert in HK-Gebäudetechnik

By David

One thought on “Photovoltaik wird unsichtbar”

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