Westhof Bio betreibt in Schleswig-Holstein eine Frosterei für Biogemüse. Diese nutzt ausschliesslich regenerative Energien. Möglich machen dies smarte Technologien kombiniert mit einem Hochtemperaturspeicher auf Stahlbasis.

In vielen Haushalten gehört Tiefkühl-Gemüse heute ganz selbstverständlich zum Alltag dazu. Deren Vorteile bestätigen mittlerweile auch Ernährungsfachleute: Den Vergleich zu frischem Gemüse brauchen sie in Punkto Vitamingehalte oder Mineralstoffe nicht zu scheuen. Beim Energieverbrauch zur Herstellung können sie zwar mit saisonalem Gemüse aus der Region nicht mithalten. Denn das frisch geerntete Gemüse geht zuerst in hohen Minustemperaturen in den Schockfroster und lagert anschliessend bei Temperaturen von um die Minus 20 Grad im Tiefkühlraum. Dieser Energieaufwand kompensiert sich zwar teilweise durch reduzierte Lebensmittelverluste und Einsparungen bei den Transporten für frisches Gemüse aus fernen Ländern. Doch ein gewisser Makel bleibt. Dagegen tritt nun die Westhof Bio in Friedrichsgabekoog in Norddeutschland an. Der Biogemüse-Konzern hat im letzten Jahr die grösste Bio-Frosterei Europas in Betrieb genommen. Diese nutzt nur regenerative Energien und ist äusserst energieeffizient unterwegs. Entscheidend ist ein kluges Speicherkonzept mit einem Hochtemperaturspeicher auf Stahlbasis als Herz.

Regenerative Wärme für die Gewächshäuser

Als Rainer Carstens vor 40 Jahren den elterlichen Betrieb in der Region Dithmarschen in Schleswig-Holstein übernahm, setzte er auf den Anbau von Bio-Gemüse. Das war speziell: Denn zu dieser Zeit war Bio einerseits und Gemüse andererseits in der Gegend noch selten. Heute bewirtschaftet Westhof Bio rund 1200 Hektaren mit Biogemüse im Freiland und 10 Hektaren im Gewächshaus. Viele Betriebe folgten ihm und machten die Region mit total 4000 Hektaren zu einem der grössten zusammenhängenden Biogemüse-Anbaugebiete Europas. Die Vermarktung dieser Gemüse läuft grösstenteils über die Handels-Abteilung von Westhof Bio. Neben dem Bio-Gedanken spielte immer auch die nachhaltige Nutzung der Ressourcen und Kreisläufe eine wichtige Rolle. «Unser Ziel ist es, den ganzen Betrieb nur mit regenerativen Energien zu bewirtschaften», erklärt Rainer Carstens. Die Tomaten und Gurken in den Gewächshäusern wachsen mit Wärme aus der Biogasanlage. In dieser vergären 12’000 Tonnen Grünschnitt von Blühwiesen und Gründüngungen, 6000 Tonnen Gemüse-Rüstabfälle sowie etwas Mist. Zehn Blockheizkraftwerke produzieren aus dem Gas jährlich 30 Millionen Kilowattstunden Wärme und 35 Millionen Kilowattstunden Strom. Das anfallende und gereinigte CO2 geht als Dünger zu den Gewächshaus-Kulturen. Auf den Dächern der Wirtschaftsgebäude und selbst im Bewässerungsbecken mit dem gesammelten Regenwasser vom Gewächshaus sind Photovoltaik-Module platziert. Der Solarstrom nutzt Westhof Bio grösstenteils gleich vor Ort. Zudem ist Westhof Bio an einem Windrad beteiligt. Die Region zählt zu den am dichtesten mit Windrädern belegten Gebieten in Deutschland.

Konsequent nachhaltig auch bei der Frosterei

Die gleichen Anforderungen an Energie und Ressourcen stellte Westhof Bio an die Frosterei, welche im letzten Jahr ihren Betrieb aufnahm. Sie kostete rund 74 Millionen Euro. Aktuell verarbeitet die Frosterei jährlich 8000 Tonnen Bio-Gemüse. Bis 2028 wird ein Produktionsvolumen von 25000 Tonnen Tiefkühlgemüse angepeilt. Verarbeitet werden auch Gemüse von umliegenden Biobetrieben. Neben viel verbautem Stahl und Blech ist die Fabrik vollgepackt mit neuster Technologie für eine möglichst energie- und kosteneffiziente Produktion. Frisch geerntet werden Spinat, Erbsen, Zucchini, Fenchel und andere Gemüse gewaschen, geschnitten, blanchiert und schliesslich eingefroren und nach Bedarf ausgeliefert. Durch die vollautomatisierte Anlage laufen viele Meter an Fliess- und Rollbändern, Roboterarme greifen nach den Kisten mit dem tiefgefroren Gemüse, Verpackungsmaschinen füllen die Kartons in verschiedenen Grössen ab. Carstens schmunzelt: «Nur der Computer weiss, wo die Ware eingelagert ist.»

Mit gleicher Energie fünf Mal mehr Kapazität

Die Halle der Frosterei, das Büro und das Hochregallager decken eine Gesamtgrundfläche von rund 10000 Quadratmetern ab. In den in der Halle verbauten 650 Kubikmetern Holz bleiben 650 Tonnen CO2 gespeichert. Die hochmoderne Kaskadenkälteanlagen laufen mit den natürlichen Kältemitteln Ammoniak und Kohlenstoffdioxid. Eine maximale Wärmerückgewinnung mit unterschiedlichen Temperaturniveaus ist Teil der energieeffizienten Infrastruktur mit optimal aufeinander abgestimmten Anlagen. Die neue Bio-Frosterei verbrauche etwa gleich viel Energie wie die alte Vorgängerin, erklärt Carstens. Allerdings bei fünf Mal mehr Verarbeitungs- respektive Frostkapazität. Im Vergleich zu einer «üblichen» Frosterei würden so bei der Wärme Einsparungen von 73 Prozent und beim Strom von 64 Prozent erreicht.

Weniger Wasser in der Produktion

In der zunehmend von Trockenheit betroffenen Region ist zudem ein sorgfältiger Umgang mit Wasser nötig. Das Unternehmen kommt hier auf Einsparungen von 67 Prozent. Noch nicht in die Betrachtung einbezogen ist hier das im Prozess verwendete Wasser, das in einem Teich gesammelt wird. Es fliesst später als Bewässerungswasser zu den Gemüsekulturen auf die Felder. Pro Stunde können die Anlagen 10 Tonnen Erbsen oder 4 Tonnen Brokkoli auf eine Temperatur von minus 20 °C gefrieren. Dafür ist viel Strom nötig. Dieser kommt unter anderem direkt aus der eigenen 800 kwP-Photovoltaikanlage auf dem Dach.

Hochtemperaturspeicher aus Stahl

So etwas wie das Herz der Frosterei aus energetischer Sicht bildet der 650 Tonnen schwere Hochtemperaturspeicher aus Stahl mit einer Kapazität von 20’000 Kilowattstunden Energie. Es funktioniert so: Mit Strom erzeugte Heissluft erhitzt den Stahl auf eine Temperatur von über 600 Grad. «Den Strom dafür kaufen wir an der Leipziger Strombörse ein, wenn die Preise tief sind», erklärt Rainer Carstens. Beim schwankenden Wind- und Solarstrom kommt es in der Region immer wieder zu Produktionsüberschüssen, welche das Stromnetz gar nicht aufnehmen kann. Die Preise sacken dann ab, respektive werden manchmal sogar negativ. Es entsteht eine klassische Win-win-Situation, die in der Stromwirtschaft auch als Netzdienlichkeit bezeichnet wird.

Entlastung des Stromnetzes

Einerseits speichert Westhof Bio diese regenerative Energie zu tiefen oder gar negativen Preisen, der Netzwerkbetreiber andererseits kann sein Stromnetz entlasten. «Die gespeicherte Energie verarbeiten wir nach Bedarf in vier Stunden im Betrieb als Prozesswärme», so Carstens. Theoretisch könnte man den Dampf wieder verstromen. Effizienter sei aber die direkte Nutzung der Prozesswärme. So käme man auf eine Effektivität von knapp 95 Prozent. Die heisse Luft wird durch einen Dampfkessel geleitet und mit einem Druck von 17 Bar und 200 Grad Temperatur in der Verarbeitung der Gemüse verwendet, beispielsweise fürs Blanchieren.

Netzdienliche Tiefkühlräume

Der Stahlspeicher ist aber nicht die einzige «Batterie» im Betrieb. Das Tiefkühllager mit den eingefrorenen Gemüsen wird ebenfalls netzdienlich verwendet. Als Kältespeicher kommt das tiefgefrorene Gemüse ins Spiel. «Mit billigen Überschüssen aus erneuerbaren Stromquellen aus dem Netz senken wir die Temperatur im Lager temporär bis auf Minus 25 Grad ab», erklärt Rainer Carstens. In Hochpreiszeiten wird der Stromverbrauch gedrosselt, damit das Gemüse bis auf Minus 20 Grad «auftauen» kann.  Die Speicherkapazität des Gemüses ist beträchtlich. Rainer Carstens schmunzelt. «Es dauert eine Ewigkeit, 5000 Tonnen Gemüse um fünf Grad herunterzukühlen.» 

Die Frosterei ist ein Generationenprojekt, welches «Westhof Bio» in Zukunft weiteres Wachstum bescheren soll. Die zwei Töchter und die zwei Söhne verwalten dieses. Sie leiten den Betrieb bereits. Auch die Hofnachfolge hat Rainer Carstens also ganz nach seinen Prinzipien der Nachhaltigkeit gelöst.

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